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Bike on Granite

“Eingesperrt”

Zum Freitag gibt’s aufgrund des Regens leider wenig zu berichten. Außer vielleicht noch, dass Claude in Chamonix den Bergführer vom Vortag triff. Die große Gruppe ist morgens unverrichteter Dinge wieder umgekehrt. Schon ganz schön enttäuschend, wenn man dafür extra aus Russland anreist und die Hütten ausgebucht sind.

Dafür setzen wir alle Hoffnungen auf das Wochenende, zu dem sich die Sonne wieder zeigen soll! Mit unserem längsten Aufstieg (2.000 Hm), haben wir daher auch bis zum Samstag gewartet.
Wir möchten diesmal noch etwas höher hinaus und den Mont Blanc aus einem ganz anderen Winkel sehen. Dabei verläuft unsere Stichtour direkt unterhalb einer Seilbahn, die jedoch keine Biker mitnimmt. Zumindest sagte man mir das vor zwei Jahren.

Als wir aufbrechen, liegt der Ort noch im Schatten, und es ist ziemlich frisch. Dafür trübt allerdings auch kein Wölkchen den Himmel. Wenn das mal nicht vielversprechend ist!
Nach kurzer Zeit kommen wir an der Talstation der Seilbahn vorbei. Versuchsweise frage ich noch mal nach der Bike-Mitnahme. Die Frau am Schalter ist etwas überrascht und beratschlagt sich kurz mit den nicht minder verwunderten Kollegen. Doch wir erhalten tatsächlich die Erlaubnis zumindest bis zur Mittelstation mitfahren zu können! Das erspart uns wenigstens 800 Hm.
So kommen wir schnell hinaus aus den schattigen Lagen und genießen die morgendlichen Sonnenstrahlen und die Aussicht auf der Terrasse der Mittelstation. Noch interessierter schauen wir uns aber den weiteren Wegverlauf an.
Das Ziel am Ende der Seilbahn ist schon in Sicht. Jo, das letzte Stück sieht echt steil bis senkrecht aus! Flo hatte nach dem Kartenstudium auch arge Bedenken, weshalb sich Claude vorab beim Hüttenwirt erkundigt hatte. Seine Wegbeschreibung hörte sich recht machbar an. Er reagierte jedoch sehr ungläubig und nicht etwa wegen der Bikes! Claude erwähnte sie gar nicht. Sondern aufgrund der Tatsache, dass dort jemand zu Fuß lang möchte, wo es doch die Seilbahn gibt! Wie wir uns später sagen, scheint auch der Hüttenwirt den Weg nicht zu kennen. Ganz abgesehen davon, dass er uns noch eine ganz andere wichtige Kleinigkeit verschweigt!

Uns fällt aber auch nichts weiter auf, als wir die Mittelstation verlassen und die ersten flachen Meter zum Hang angehen. Claude und Lev deponieren ihre langen Hosen noch kurz hinter einem Fels. Und dann geht’s – nichts Böses ahnend – hinauf zur Bergstation.
Schnell finden wir in unseren gewohnten Tritt und gewinnen an Höhe. Was die Leute wohl denken, die andauend mit der Gondel an uns vorbeiziehen?!
Nach 400 Hm wird es jedoch steiler und schwieriger. Wir müssen größere Felsstufen überwinden und kommen nach ca. 600 Hm an die erste längere Seilstelle. Die anderen warten, während ich ohne Rad vorgehe und mir den weiteren Verlauf anschaue.
Tja, sieht doch etwas schwieriger aus, als es der Hüttenwirt vermuten ließ. Es geht erst einmal eine Rinne und dann ein paar höhere Felsstufen hinauf. Bergauf mit Bike schon irgendwie machbar, wenn auch mühsam. Bergab allerdings – no way! Außerdem sind die Felsen im Schatten teilweise mit glattem Eis überzogen.
Als ich wieder bei den Jungs bin, befinden sich diese gerade auf Kristallsuche. Das scheint sich hier tatsächlich zu lohnen, wie wir oben noch in der kleinen Mineralienausstellung feststellen werden.
Nach einer Weile beratschlagen wir das weitere Vorgehen. Wenn wir Pech haben, geht’s in diesem Stil bis oben hin weiter! Und falls es weiter oben doch fahrbar sein sollte? Wir beschließen zumindest Levs Rad mitzunehmen … lassen es nach der Rinne dann aber auch zurück.
Na, was soll’s. Selbst von hier aus haben wir immerhin fast 1.400 Hm Abfahrt und es wird sich so oder so lohnen weiterzugehen. Also los! Schon jetzt bewundern wir die scharfen Felsgrate parallel zu unserer Route und mit jedem Meter Höhe wird die Aussicht noch besser.

Eine Stunde später ist es auch fast geschafft. Wir steigen über eine Leiter auf die verlassene Terrasse der Bahnstation und tauchen aus der ruhigen Bergwelt hinein in den lauten Touri-Trubel.

Da der Weg wirklich kein Hot-Spot-Potential hat und um andere vor Fehlversuchen zu bewahren, ist es trotz des Vertrider Ehrencodex’ in diesem Fall wohl kein Problem nachfolgend die Namen zu nennen. ;-)

Von der Station führt eine lange, steile Treppe einen Verbindungsgang hinauf zum höher gelegenen Refuge Torino und hinaus auf den Glacier du Geant. Wir sind oben! So gut wie auf jeden Fall.
Nach 50 Hm Schutthang erreichen wir die obere Bahnstation, von der aus man weiter zur Aiguille du Midi und runter nach Chamonix gondeln kann. Über das komplette Massiv hinweg!
Wir begnügen uns jedoch mit den hochalpinen Blicken vom Aussichtsdach des Pointe Helbronners (3.452 m). Man kann den Gran Paradiso ausmachen, was mich an die tolle Tour mit Carsten, Rolf und Roland erinnert. Und natürlich zieht es unsere Blicke auch hinüber zum Mont Blanc (s. Bild unten)!

Nach einem kurzen Gletscherspaziergang zurück zur Hütte wollen wir uns vor dem Abstieg noch eine Suppe gönnen. Wobei mir bei 7 EUR dann doch eine heiße Schokolade reicht. *g*

Irgendwann ist’s auch wieder Zeit aufzubrechen und die hässlichen 50er-Jahre-Bauten hinter uns zu lassen. Wir steigen den Gang hinab zur Station … und stehen vor einer verschlossenen Tür! Oder war es diese hier? Ne, die ist auch zu. Schon komisch, aber da kann uns bestimmt jemand von der Bergbahn helfen.
Tatsächlich finden wir auch einen Angestellten, wenn auch nicht gerade Herrn Sonnenschein! Völlig wortlos geht er mit uns Richtung Tür, deutet kurz auf ein unscheinbares weißes Blatt Papier und geht kommentarlos weiter. Es handelt sich um eine behördliche Verordnung, nach welcher der Weg von Ende August bis Anfang September wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Tatsächlich sind wir auch an zwei unfertigen Hochspannungsmasten vorbeigekommen.
Ist ja toll! Und warum gibt es an der Mittelstation oder am Wegeinstieg keine plakativen Hinweise dazu?! Schade auch, dass uns der Hüttenwirt nichts davon gesagt hatte, obwohl er wusste, wann wir kommen würden.
Nun gut, wir versuchen noch mal jemanden von den Angestellten zu erwischen und ihm unsere Lage zu erklären. Freundlicherweise wird der Chef angerufen, doch es hilft nichts. Wir können nicht hinausgelassen werden, da sonst die Bahn dafür verantwortlich wäre, falls etwas passieren sollte.
Außerdem erfahren wir, dass diese eine Tür der einzige Ausgang sei. Einen anderen gäbe es nicht! Der offizielle Ausweg besteht darin ermäßigte Tickets für ca. 50 EUR zu kaufen, mit der Bahn zur Mittelstation zu fahren und dann erneut die 600 Hm zu unseren Bikes hochzulatschen. Der Aufstieg wäre selbstverständlich auch verboten, läge jedoch nicht mehr im Verantwortungsbereich der Bahn. Also ne, das ist wirklich die letzte Option!

Die Station steht mit der Front direkt an einem sehr abschüssigen, rutschigen Geröllhang. Die Terrasse und das abgeschlossene Nebengebäude stehen westlich auf einem kleinen Kamm. Genau dort beginnt unser Weg.
Von der oberen Hütte gibt es leider keine Möglichkeit den steilen Westhang dorthin zu durchsteigen. Doch von Osten her könnte man an der zwei Stockwerk tieferen Basis des Hauptgebäudes entlang- und dann irgendwie an den Betonträgern zur Terrasse hochklettern. Und wir wissen sogar, wie wir dort hinab kämen!
Sobald die Luft rein ist, könnten wir über Trittklammern aus den Kabinenschächten rausklettern. Dabei reicht es eigentlich, wenn nur einer von uns zur Terrasse käme und uns die Tür von außen öffnen würde! Glasklar, wer das sein sollte. Wofür haben wir schließlich einen Industriekletterer im Team!
Lev macht sich also bereit, während wir die Augen nach den Angestellten offenhalten. Als die nächste Kabine aus der Station schwebt und genug Abstand gewonnen hat, steigt Lev über das Drehkreuz … und dann geht die Aufregung erst richtig los.
Der Ein- und Ausgangsbereich wird selbstverständlich überwacht und so bleibt der “Ausbruchsversuch” nicht unentdeckt. Wie aus dem Nichts materialisierten sich plötzlich zwei aufgeregte Bedienstete und drohen mit der Polizei.
Zugegeben, so richtig schlau war das jetzt wirklich nicht. Aber wir geben noch nicht auf! Vielleicht geht es ja doch von oben aus? Wir steigen also erneut die lange Treppe zur Hütte hinauf und schauen uns dort um. Und tatsächlich! Wir finden einen Weg, der von Osten her zur Station hinabführt.
Wenig später stehen wir am östlichen Ende des Gebäudes und verstecken uns vor der gerade abfahrenden Bahnkabine. Dann steigen wir rasch über das Geländer, lassen uns an der Stützmauer hinab und beginnen damit uns zur Terrasse hinüber- und hochzuarbeiten. Es dauert länger als gedacht und kurz bevor wir die Terrasse erreichen, werden wir von der ankommenden Kabine entdeckt. Egal, wir haben es geschafft – nach ca. einer Stunde!
Ohne Umschweife gehen wir zum Ende der Terrasse und machen uns über den Kamm von der Station davon. Von dort blickt uns einer der Angestellten nach und spricht in sein Handy. Hoffentlich nicht mit der Polizei!

Wir lassen uns nun auf jeden Fall Zeit! Wenn uns unten wirklich jemand abfangen möchte, muss er sich schon etwas gedulden.

Den optional angedachten Sonnenuntergangs-Downhill in Chamonix können wir uns jetzt auf jeden Fall abschminken. Die letzte Bahn werden wir nicht mehr kriegen. Daher kosten wir Abstieg und Abfahrt noch einmal richtig aus, schießen einige Fotos, suchen nach Mineralien und probieren im unteren Teil noch einen nicht mehr benutzten, jedoch sehr schönen Singletrail aus. Das Tal liegt schnell im Schatten und es ist bereits etwas düster, als wir beim Auto ankommen.
Was für eine Tour! Es lief so gar nichts nach Plan und wir werden garantiert nicht mehr wiederkommen. Dennoch war es ein richtiges Erlebnis, das wir so schnell auch nicht vergessen werden! LoL

Das Foto-Finale

Sonntag ist unser Abreisetag. Ausgerechnet jetzt, wo wir endlich super Wetter haben! Na gut, den Tag werden wir dafür aber auch noch mal richtig auskosten! Auf dem Plan steht erneut die eine Montags-Abfahrt gegenüber dem Mont Blanc. Diesmal jedoch mit (Morgen)licht! Und als zweites Highlight ein Trail direkt an einem Gletscher entlang.

Da Claude für Lev und mich einen Umweg über Deutschland fahren wird und er eigentlich um 22 Uhr in Luxemburg sein möchte, bleibt uns nicht viel Zeit. Wir sind daher wieder früh aufgestanden, haben ruck zuck die Fewo geräumt, schnell die Räder aufgeladen und direkt die Bergbahn angesteuert.
Nun sind wir oben an der Bergstation. Die Morgensonne wirft ein sanftes Licht über die felsige Landschaft, durch die sich unser Trail schlängelt. Mit dem vergletscherten Granit-Massiv im Hintergrund sieht es einfach grandios aus!
Also, los geht’s! Der Weg ist teilweise geröllig und ein klein wenig verblockt, hat aber durchaus Fahrfluss.

Flo findet hier schließlich sein Lieblingsmotiv … und wir verbraten gleich mal eine ¾ Stunde damit die Fotoanhöhe von der schwierigeren Seite aus zu erklimmen und einen schmalen Grat zu umgehen. Aber was tut man nicht alles für schöne Urlaubserinnerungen!
Auf der weiteren Abfahrt verzichten wir dafür weitestgehend auf Fotos, denn Claudes Uhr tickt. Um 14 Uhr möchte er zur Heimfahrt aufbrechen und die eigentliche Tagestour steht uns noch bevor. Trotzdem müssen wir uns nicht künstlich hetzen. Der Trail verleitet schon ganz von alleine zum Speeden! :-)

An der Talstation angekommen müssen wir die Räder wieder aufladen, denn es geht weiter zur nächsten Bergbahn. Bis wir dort sind, ist es bereits kurze nach 12 Uhr. Mit Claudes Zeitplan sieht’s nicht so gut aus. ;-)
Nach der mechanischen Aufstiegshilfe ist nun mal wieder Muskelkraft gefragt. Und je weiter wir kommen, auf desto mehr Wanderer stoßen wir. Nun ja, es ist Sonntag Mittag und wir haben bestes Wetter. Sollte also nicht überraschen. Das tut’s nur die Wanderer und wir werden wiederholt darauf angesprochen, was wir denn vorhätten und wo wir abfahren wollten.

Als der Gletscher dann endlich in Sichtweite rückt, hat sich die Tour bereits gelohnt! Wir schauen direkt auf einen kleinen Eisbruch, durchzogen von Spalten und Verwerfungen.
Als wir näher kommen und hinüber zur Seitenmoräne wechseln, entdecken wir an einem Serac sogar Kletterer im wüsten Eisgetümmel. Aus der Nähe betrachtet wirken die Formationen auf jeden Fall noch beeindruckender! Zumindest auf uns Mittelgebirgler. ;-)

Weil wir ohnehin schon recht spät dran sind, beschließen wir direkt abzufahren. Mit zunehmendem Gefälle wird der lose, geröllige Untergrund jedoch immer mehr zur Herausforderung. Da kommt eine Slickrock-Einlage auf dem ehemaligen Gletscherbett doch ganz gelegen. Wenn nur diese Kraxelei durch die steilen Schuttablagerungen nicht wäre! Aber es lohnt sich gleich doppelt.
Lev entdeckt im Gletscherschliff eine Mulde mit lauter Bergkristallen und einer kleine Kluft an einem Ende. Waren die Jungs am Vortag noch froh überhaupt einen Kristall zu finden, so liegt das Zeug hier gleich kiloweise herum!
Während Claude außer Sichtweite, aber bestimmt schon ungeduldig auf der Moräne wartet, verbringen Flo und Lev ganz vom Kristallfieber gepackt fast eine Stunde mit der Suche nach den schönsten Exemplaren. Zurück bei Claude ist die Warterei jedoch recht schnell vergessen, als er mit einigen Kristallen entschädigt wird.
Die weitere Abfahrt wird für unsere Schatzsucher dafür zur Schwerstarbeit! Die 30 kg im Rucksack machen das Fahren eben nicht einfacher. Das Versetzen klappt kaum noch und nach ein paar Tragepassagen gibt’s schon die ersten Kniebeschwerden. *g*
Wie gebrechliche Greise tasten sich die beiden den Trail runter und sind heilfroh, als wir unten im Tal ankommen.

Und beinahe hätten wir die letzten paar hundert Meter auch noch ohne Zwischenfall geschafft! Auf dem breiten, abschüssigen Almweg können wir endlich wieder die Bremsen aufmachen und rauschen dem Parkplatz entgegen. Zum Glück erkenne ich noch rechtzeitig die dunkelblauen Elektrodrähte des Weidezauns vor mir und komme noch 10 m vorher zum Stehen. Dummerweise hatte Claude in meinem Windschatten bei meiner Bremsung gerade zum Überholen angesetzt, blieb mit seinem Schaltwerk in meiner Pedale hängen und fliegt auf einmal links an mir vorbei durch den Zaun.
OK, das abgerissene Schaltauge ist ärgerlich. Doch zum Glück ist ihm nichts weiter passiert.
Und am Parklatz sind wir trotzdem alle zufrieden und Claude kann’s gar nicht fassen, als die beiden Kristallsammler ihre Rucksäcke ausräumen!
Bis wir zur Heimfahrt aufbrechen ist es allerdings doch schon 18 Uhr, so dass Claude erst um 3 Uhr morgens heimkommt. Bereut hat er es dennoch nicht. ;-)

Zu guter Letzt noch mal danke an Claude für die Chauffeurdienste, Lev für die Stunt-Einlagen, Flo für die Fotos und allen zusammen für die lustige, erlebnisreiche Woche!
Ich freu’ mich schon auf 2010 mit Euch!

Chamonix-Interessierte möchte ich abschließend noch darauf hinweisen, dass das Biken abseits der explizit für Biker freigegebenen Wege in der Haupturlaubszeit von Juli bis August verboten ist. Und wenn man Touren mit Bergbahnen kombinieren möchte, sollte man bei der Planung beachten, dass einige schon Ende August/Anfang September schließen. Das Zeitfenster ist daher recht kurz!

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