Bämmm! Ich rutsche mit dem Gesicht über den harten Untergrund. Stöhnend drehe ich mich auf den Rücken. Mein Mund hat sich mit kleinen Steinchen gefüllt und mit dem linken Schneidezahn stimmt etwas nicht. Verdammt, was war passiert?!
Claude, Flo und Felix kommen eilig herbeigeeilt und Ihr Gesichtsausdruck bestürzt mich mehr als die Schmerzen. Ihre Blicke sagen “Das war’s, Heimflug, aus und vorbei!”.
Claude spricht als Erster. Mein Gesicht sehe schlimm aus. Mehr möchte er mir nicht sagen und mehr möchte ich ohnehin noch nicht wissen.
Das kann nicht wahr sein! Wir sind doch gerade erst in den USA und auf unserer DRITTEN Tour!
Dabei fing doch alles so gut an …
Praise the Barr
Sonntag, 3. Oktober | Manitou Springs, CO
Es ist der zweite Tag auf amerikanischen Boden. Schade nur, dass Niko und André nicht dabei sind. Die beiden hatten seit ihrem Utah Trip 2005 versucht mich zu diesem Urlaub zu überreden. Und jetzt ist es soweit!
Drei Wochen durch Colorado und Utah, durch die Berge der Rocky Mountains und die Halbwüste des Colorado Plateaus, bei Temperaturen von Herbst bis Sommer.
Nachdem wir in Dallas durch die spät ausgegebenen Räder gerade noch den Anschlussflug bekamen, Felix’ Gepäck wegen einer TSA-Kontrolle erst Stunden nach uns in Denver eintrudelte und wir gestern unser Wohnmobil (bzw. Recreational Vehicel, kurz RV) abgeholt hatten, stehen wir nun am Start der ersten Abfahrt.
Was für eine Fernsicht! Vor allem nach Osten, wo sich 2.400 m tiefer die Great Plains flach bis zum Horizont erstrecken.
Wir befinden uns im östlichen Vorgebirgszug der Rocky Mountains, der sogenannten Front Range. Und zwar auf dem 4.301 m hohen, zur Zeit recht frostigen Pikes Peak!
Dieser ist vor allem den Motorsportfreunden durch den Pikes Peak International Hill Climb ein Begriff. Ganz so rasant wie Walter Röhrl waren wir aufwärts zwar nicht gerade. Doch auch wir kamen für $30 durch Motorkraft hinauf. Da wir noch nicht akklimatisiert sind, wäre es ansonsten wohl auch zur Qual geworden. ;-)
Wenn man die Alpen gewohnt ist, mutet es übrigens schon sonderbar an einen Viertausender mit dem Auto zu erklimmen und auf dem flachen Gipfel einen Souvenirladen mit (der welthöchsten) Zahnradbahnstation vorzufinden! Kein Wunder, dass Pikes Peak mit jährlich über 500.000 Besuchern der meistbesuchte Berg Nordamerikas sein soll (bzw. der zweitmeistbesuchte weltweit nach dem Fuji).
Und nun wartet der Barr Trail auf uns: satte 2.300 Hm Singletrail, verteilt auf 20 km Länge. Die vielleicht beste Abfahrt des Trips. Und das gleich zu Anfang!
Der Auftakt mit den 16 Golden Stairs ist recht technisch. Die rötlichen, verwinkelte Granitbrocken stellen unsere Fahrtechnik auf die Probe, während der Pfad allmählich an Fahrt gewinnt, wir die groben Brocken hinter uns lassen und sich der Trail zusehends in einen Wurzel und Stein durchsetzten DH Track verwandelt.
Das Gefälle ist ideal! Nicht zu steil um auf der Bremse stehen zu müssen, doch steil genug um die Endorphine brodeln zu lassen. Und je mehr Höhenmeter wir abbauen, desto schneller wird der Untergrund. Wir gewinnen an Fahrt, kickern an Steinen, überspringen kleinere Felsen, drücken uns an Bodenwellen ab … und befinden uns vollends in Trail-Ekstase. Das Beste daran: es will nicht aufhören!
Im letzten Drittel gewinnt fester, glatter Boden die Oberhand, die Geschwindigkeit zieht nochmals an und wir heizen nur so durch die Bäume. Das kannte ich bisher nur vom Pfälzer Haardt!
Obwohl wir Sonntag haben und sich das Wetter von seiner besten Seite zeigt, haben wir ausgesprochenes Glück mit dem geringen Wanderaufkommen. Erst gegen Ende des Barr Trails, in Parkplatznähe müssen wir unser Tempo drosseln.
Egal, es war einfach spitze! Einer der besten Trails die ich je gefahren bin. Also, wenn die anderen dasselbe Kaliber haben sollten …?!
Zurück beim Shuttle Service Challenge Unlimited werden wir prompt auf ein Bier eingeladen und mit Tipps für den nächsten Tag versorgt. Für morgen habe ich den berühmten Monarch Crest bei Salida eingeplant. Bei diversen CC-Fahrern gilt der gleichnamige Trail mit seinen verschiedenen Abfahrtsmöglichkeiten als der Beste Amerikas! Wir werden sehen …
Monarch Crest
Montag, 4. Oktober | Salida, CO
Morgens treffen wir Matt vom High Valley Bike Shuttle, einen sympathischen Allrounder, von DH bis Radreisen durch Europa und Südamerika. Ich schildere ihm die mit vielen Superlativen garnierten Trail-Tipps zum Monarch Crest die wir Tags zuvor serviert bekamen. Für unsere deutschen Ohren schmeckte es schon etwas dick aufgetragen. Doch auch Matt findet Silver Creek und Rainbow Trail eine sehr gute Wahl.
Als ich ihn jedoch nach seinen persönlichen Abfahrtsfavoriten frage, sind es Agate und Green Creek. Genau die beiden Trails die ich ursprünglich geplant hatte! Na gut, wir werden spontan vor Ort entscheiden.
Am Monarch Pass (3.448 m) lässt uns Matt raus und wir folgen dem Continental Divide Trail. Zu dieser Jahreszeit sind wir ausnahmsweise ganz alleine. Nachdem wir ein wenig an Höhe gewinnen, führt uns der Weg oberhalb der Baumgrenze (sie liegt auf ca. 3.400 m!) im leichten Auf und Ab durch herbstlich goldene Wiesen entlang eines endlos scheinenden Bergkamms.
Ich kann gut nachvollziehen was die Amis hierhin zieht! Die hoch gepriesene Aussicht kann meiner Meinung nach zwar nicht ganz mit unseren Alpenpanoramen mithalten. Sie ist dennoch recht ansprechend mit ihrer weichen, grün bewaldeten Hügellandschaft.
Und entlang des Kamms kann man mit entsprechendem Pedaldruck auch ganz gut pesen! Nur, dass Flo durch seine Bikepark-Kindheit ein wenig CC-Grundlagen fehlen. ;-p Ganz abgesehen davon, dass wir uns andauernd zwischen 3.400 und 3.600 m bewegen und Claude sich noch nicht richtig akklimatisieren konnte. So entscheiden wir uns doch lieber für die kürzere Tourvariante.
Den Charakter des Agate Creek Trails hatte Matt mit dem eines Super D verglichen. Und tatsächlich! Als wir aus dem flowigen, offenen Gelände in den dunklen Nadelwald eintauchen gewinnt der Weg deutlich an Gefälle. Hey, das ist ja wie im Bikepark! In steilen Kurven, durch Senken und über Buckel windet sich der glatte Weg durch die Bäume. Ist das geil! Und dies soll ein Wanderweg sein? Sicher, dass hier kein Bike-Schaufler am Werk war?
Leider kommen wir bereits nach 400 Hm wieder in flacheres Gelände. OK, das gehört halt auch zum Super D! Da es Claude heute nicht so gut geht und er oben am Kamm zurück blieb, ziehen wir jedoch die Reißleine und schieben wieder zurück zum Monarch Crest, anstatt das Tal hinauszufahren und die Straße wieder zum Pass hochzutreten.
Gemeinsam nehmen wir nun den Green Creek Trail in Angriff! Dieser quirlige Pfad ist auch sehr flott, durch die steinigen Passagen bei Speed jedoch ungleich anspruchsvoller. Die engen Turns sind nicht einsehbar und wir sind gerade in der ersten Hälfte voll damit beschäftigt die Linie durch oder über die plötzlich vor uns auftauchenden Steinbrocken zu finden.
Da sich die 900 Hm Abfahrt auf 11 Kilometer verteilen, können wir den Trail zum Glück lange auskosten.
Dabei durchfahren wir entlang des Green Creeks einen weiß-goldenen Espen-Wald bevor wir uns auf einer staubigen Dirtroad wiederfinden. Mit einem satten Grinsen im Gesicht rollen wir zurück nach Salida.
Dort plündern wir schließlich den nächsten Walmart bevor wir weiter nach Westen fahren. Autofahren ist hier wirklich sehr relaxt! Der Verkehr plätschert so vor sich hin und man kann in Ruhe die ungewohnte Landschaft in sich aufsaugen. Fasziniert bin ich jedoch von den FedEx Trucks mit drei Hängern. Nicht nur wegen ihrer Länge, sondern weil sie uns alle 20 Minuten entgegenkommen. Der Highway als Paketfließband!
Nach ca. drei Stunden erreichen wir endlich die kleine, alte Minenstadt Lake City … und unser Geschirr hätte die Fahrt auch beinahe überstanden, wenn die eine Vollbremsung nicht gewesen wäre.
Payday
Dienstag, 5. Oktober | Lake City, CO
Hier in den San Juan Mountains wurde früher nach Gold und Silber gegraben. Wir haben es allerdings nur auf luftige Höhenmeter abgesehen. Nach dem Pikes Peak wollen wir uns nun einen Viertausender aus eigener Kraft erarbeiten.
Schade nur, dass wir nicht mit Foto-Wetter zählen können. Lokale Regenschauer sind für heute und Schneefall für morgen vorhergesagt. Daher ist dies eventuell unsere letzte Hochtouren-Gelegenheit!
Verglichen mit den Alpen ist es teilweise recht einfach und unspektakulär so hoch hinaus zu kommen. Colorado ist der höchstgelegenste Bundesstaat – im Schnitt über 2.000 m hoch. Zudem gibt es über 54 sogenannte Fourteeners, d. h. Gipfel mit einer Höhe von über 14.000 ft bzw. 4.267 m. Also, in puncto Bikebergsteigen eigentlich recht vielversprechend! Vor allem weil die Viertausender nicht vergletschert sind. Daher wird auch hier das “High Altitude Riding” betrieben, wobei die konditionelle Herausforderung mehr im Vordergrund zu stehen scheint. Mount Elbert (4.401 m), der höchste Gipfel Colorados und der amerikanischen Rocky Mountains, ist auf jeden Fall mehrfach befahren worden, u. a. auch von einem Einradfahrer.
Unser Tagesziel ist der Handies Peak (4.285 m). Nach 14ers.com handelt es sich zwar nur um einen Weg der Schwierigkeit Class 1 und ich hätte mir eigentlich auch einen anspruchsvolleren und markanteren Gipfel gewünscht. Doch hatten wir auf unserer Route nicht viele Möglichkeiten und gegen eine feine Flow-Abfahrt ist ja auch nichts einzuwenden.
Mit dem RV fahren wir auf einer breiten Dirtroad ein malerisches Hochtal hinauf, bis wir zum Abzweig des Seitentals kommen, welchen wir bis zum Gipfel folgen werden. Auf einer Jeep Road radeln wir an Bieber-Stauseen und alten Minen vorbei zum American Basin, einen für seine Wildblumen bekannten und bei Fotografen beliebten Talkessel. Bei dem grau verhangenen Himmel sieht es heute allerdings weniger einladend aus.
Auf 3.500 m biegen wir von der Jeep Road in den Wanderweg ein, welcher uns nach gerade einmal 800 Hm zum Gipfel führen soll. Nach dem Schild beim Trailhead handelt es sich bei der Gipfelregion um eine Wilderness Study Area. Davon höre ich zum erstem Mal! Dummerweise ist in den normalen Wilderness Areas das Biken untersagt. Na, zum Glück steht hier jedoch kein Bike-Verbotsschild. Wie wir noch sehen sollten, befindet sich dieses dafür am Trail-Ausgang!
Der Aufstieg ist recht unspektakulär. Mittlerweile haben wir uns schon gut akklimatisiert. Ganz von selbst geht es in dieser Höhe aber dennoch nicht. Und so sind wir recht froh als wir mit den ersten Graupelschauern den Gipfel erreichen. Der Himmel ist leider grau und trist. Dort wo die tief hängenden Wolken uns nicht die Sicht versperren, haben wir jedoch eine recht gute Fernsicht. Die Silhouetten einiger gezackter Bergkämme erinnert an die Alpen. Doch die meisten Berge wirken gezähmt, mit weichen, rundlichen Kanten. So, als hätte jemand einen riesigen Eimer Sand über sie ausgekippt. Rötliche, eisenhaltige Schlieren durchziehen die hellen Hänge. Die ungewohnte Umgebung hat seinen eigenen Reiz, obwohl – oder gerade weil – es ihr an der gewohnten Schroffheit fehlt.
Bis auf eine steilere Passage und den lockeren Brösel zu Anfang ist der Trail auch genauso flowig wie erwartet. Dieser Tag wird mir jedoch vor allem wegen des Face Plants im Gedächtnis bleiben – es ist meine Unfall-Tour!
Während Felix einen Druckverband an meinem Gesicht anbringt, überlege ich was eigentlich passiert war. Ich wollte einen niedrigen Felsriegel als Kicker nutzen, musste ihn jedoch schräg anfahren. Der Grip war bisher sehr gut, daher machte ich mir keine Gedanken. Es ist ja auch eine total unspektakuläre Stelle! Doch anscheinend ist der Fels von einer anderen, rutschigen Gesteinsart.
So ist mein Vorderrad beim Abdrücken zum Sprung einfach seitlich weggerutscht. So plötzlich, dass ich die Hände, welche sich mit dem Lenker seitlich von mir wegbewegten, nicht mehr vors Gesicht bekam.
Beim Aufprall brach dann der Helm an der Stirnseite und während ich über den Untergrund rutschte, schützen wenigstens das eingeklappte Visier und die nun kaputte Brille Stirn und Augen. Dafür durchbohrte ein Stein mein linkes Nasenloch bis auf den Kiefer, durchtrennte die Haut von dort abwärts bis durch die Oberlippe und brach den linken Schneidezahn.
Shit, so hatte ich mir den Urlaub wirklich nicht vorgestellt. Na, wenigstens sehe ich selber nichts vom ganzen Schlamassel …
Zurück zum RV kann ich glücklicherweise sogar halbwegs gut radeln. Trotzdem dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis wir ankommen. Und bis wir aus dem Hochtal raus sind und endlich beim Medical Center von Lake City eintreffen ist es 20 Uhr. Wir haben fast drei Stunden gebraucht. Der Arzt, seine deutsche Frau und die Krankenschwester sind jedoch überaus freundlich, obwohl wir sie aus dem Feierabend holen. Vor allem der Doktor freut sich endlich wieder nähen zu können!
Allerdings gibt es keinen CT Scanner, um den Kiefer zu untersuchen. Und die verästelten Risse machen das Nähen doch diffizil. Daher werde ich nach einer oberflächlichen Wundsäuberung und behelfsmäßigen Nähen direkt zum nächsten Krankenhaus überwiesen – dem sage und schreibe 160 km entfernten Montrose Memorial Hospital. Tja, die Weite des Landes hat Vor- und Nachteile ….
Meine Freunde liefern mich um Mitternacht im Krankenhaus ab, Claude bleibt sogar während der ganzen Behandlung bei mir. Ich komme sofort dran. Arzt und Krankenschwester machen einen professionellen und sehr netten Eindruck und ich fühle mich gut aufgehoben, auch wenn die vielen Spritzen wirklich nerven!
Als Matt und Colleen dann um 3 Uhr mit Nähen im Gesicht und Mundraum fertig sind, kann Claude endlich zum Wohnmobil und pennen, während ich in der Notaufnahme ein Bett beziehe.
Doch zu früh gefreut! Colleen kommt noch mal vorbei. Auf den CT-Bildern sind Steine im Unterkiefer zu sehen, welche es sich in einem Cut unter der Unterlippe gemütlich gemacht haben. Na denn, noch eine weitere Stunde im Behandlungsraum.
Die Nacht ist auf jeden Fall sehr kurz. Um 7 Uhr kommt Matt rein und gibt mir die Adresse vom Zahnarzt wo mir um 8 Uhr der restliche Vorderzahn gezogen wird. Dann bin ich endlich durch, mit insgesamt 80 Stichen der drei Docs. Hört sich viel an, ist aber halb so wild, da Gesichtsnähte einfach sehr eng und fein sind. Äußerlich sieht man auch nur die außen liegenden Nähte zwischen Nase und Mund.
Und die gute Nachricht: Davon soll in absehbarer Zeit kaum oder nichts mehr zu sehen sein! Außerdem sehe ich mich in wenigen Tagen schon wieder im Sattel sitzen. Den knöchernen Sehnenabriss am linken Ringfinger, sollte man schließlich auch erst in Deutschland diagnostizieren. ;-)
Die Bike Oase der Hochwüste
Mittwoch bis Freitag, 6.-8. Oktober | Moab, UT
Der Unfall hatte meine Planung ein klein wenig durcheinander gebracht und meine Freunde leider auch um einen Bike-Tag in Telluride beraubt. Nach dem unfreiwilligen Ruhetag und dem Besuch der Lunch Loops bei Grand Junction (dazu später mehr), erreichen wir aber schließlich unser lang ersehntes Hauptziel – das Bike Mekka Moab!
Der kleine Ort mit weniger als 5.000 Einwohnern ist wohl das amerikanische Äquivalent zum nördlichen Gardasee. Jeder amerikanische Vollblut-Biker muss einmal hierhin gepilgert sein. Und sogar in Deutschland gibt es kaum einen Biker der nicht von Moab und seinen berühmten Slickrocks gehört hat!
Moab liegt in der Hochwüste des Colorado Plateaus auf ca. 1.200 m und beeindruckt durch seine Sandsteinformationen, wie die Steinbögen des Arches-Nationalparks. Oder mit seinen tief eingeschnittenen Tälern des Canyonlands-Nationalparks.
Die einstige Uranhauptstadt hat sich mittlerweile zu einer Outdoor-Hochburg entwickelt. Rafter, Kajakfahrer, Kletterer und vor allem Offroad Fans finden sich hier ein. So sieht man auf der Hauptstraße fast nur Spaßgefährte. Lauter dicke Jeeps, MX Bikes und Quads. Die Tage ist wohl wegen des langen Wochenendes durch den Columbus Day besonders viel los, was es für uns um so beeindruckender macht. Das ganze Canyon Country scheint ein großer Outdoor Playground zu sein!
Und das Wetter spielt auch mit! Die Sonne scheint am blauen Himmel bei trockenen 25°C. Genau so hatte ich es mir vom Oktober erhofft! Buntes Herbstlaub in Colorado, sommerlich angenehme Temperaturen in Utah und weiches Fotolicht für Flo.
Im Hochsommer ist es hier angeblich auch kaum erträglich und man muss bei den Touren sehr auf den Flüssigkeitshaushalt achten. Wasserstellen gibt es unterwegs keine!
Ich bin auf jeden Fall guter Dinge, wenn auch noch ein wenig schwach. Vor zwei Tagen konnte ich nur eine kleine Cola zu mir nehmen. Der zugeschwollene, geflickte Mund macht das Essen zur Herausforderung. Doch Felix, unser Maître de Cuisine, hatte kurzerhand auf Suppe umgestellt, die ich mit einem Strohhalm aufsaugen konnte. Doch die Schwellung nimmt glücklicherweise schnell ab, das Essen wird immer erträglicher und ich kann mittlerweile sogar leicht kauen.
Eigentlich sehe ich sogar recht witzig aus mit dem Entenmund und dem verbeulten Kinn. Es ist auf jeden Fall sehr einfach mit anderen ins Gespräch zu kommen!
Nur Lachen ist wirklich schlimm. Mir steigen die Tränen in die Augen, während ich krampfhaft versuche mich wieder reinzukriegen. Und wenn ich die Gesichter meiner Freunde sehe, die selber versuchen wieder ernst zu werden, muss ich nur um so mehr Lachen!
Wie dem auch sei, wir wollen es heute auch noch mal ruhig angehen und checken erst einmal beim RV Park ein. Diesmal sind wir besonders beeindruckt von den Wohnmobilen unserer Nachbarn. In den Staaten sind eben auch die RVs eine Nummer größer, bis hin zur Jumbo-Reisebusgröße, natürlich mit mehreren Ausziehwänden! Die meisten schleppen dann auch gleich noch einen Jeep hinterher oder besser noch einen Pickup mit MX-Maschinen oder einem Quad auf der Ladefläche. Anscheinend werden die fahrenden Luxuswohnungen (z. B. von Monaco RV) vor allem von betuchten Rentnern gesteuert, welche im Herbst der Sonne gen Süden folgen.
Nun denn, jetzt möchten wir uns jedoch erst einmal im Ort umschauen. Claude sucht nach einer Rock Shox Reverb, und ich selber muss mir jetzt definitiv einen Fullface besorgen.
Was das Sortiment der Bike Shops angeht, so haben sie in Fruita, Grand Junction und Moab eher CC und All Mountain im Auge. In Grand Junction ist nur Grassroots Cycles auf die Gravity Fraktion eingestellt. Doch in Moab bietet wenigstens Rim Cyclery etwas Auswahl an Integralhelmen. Hier finde ich sogar den Specialized Deviant II, welcher mir von Flo und Felix wegen seiner Belüftung empfohlen wurde.
Am Spätnachmittag fahren wir dann bei tief stehender Sonne mit dem Wohnmobil zum Arches Nationalpark mit seinen beeindruckenden Felsbögen. Unterwegs müssen wir allerdings viele Stopps einlegen, da es bereits von der Straße aus viele beeindruckende Sandsteinformationen zu bestaunen und fotografieren gibt. Im Winter muss es noch spektakulärer ausschauen, wenn sich die roten Felsen vor den schneebedeckten La Sal Mountains abheben! Bis wir beim Trailhead sind, liegen die Arches dafür schon im Schatten. Aber das war ja klar …
Moab Trails
Samstag bis Dienstag, 9.-12. Oktober | Moab, UT
Portal Trail über Poison Spider Mesa
Hurra, ich kann wieder mitfahren! Zumindest fühle ich mich fit genug mich an einer gemütlichen Halbtagestour zu probieren und Claude, Felix und Flo begnügen sich mir zuliebe mit dem übersichtlichen Tagesprogramm.
Über Poison Spider Mesa (Mesa = Hochebene, Tafelland, Tafelberg) fahren wir auf einer Jeep Road zu dem wegen seiner Exponiertheit berüchtigten Portal Trail.
Markierungen sind auf dem Weg dorthin allerdings wirklich nicht nötig. Man folgt einfach dem schwarzen Band, welches der Reifenabrieb der Geländewagen auf dem griffigen Sandstein hinterlässt. Fasziniert beobachten wir vom Wegesrand aus wie sich die ATVs langsam durch die Felspassagen arbeiten.
Unser eigentliches Tour-Highlight ist jedoch der Portal Trail, direkt über dem Colorado River. Gespickt mit technischen Passagen leitet er uns durch den ausgesetzten, gerölligen Steilhang ins Tal hinab.
Die Tour konnte ich eigentlich gut mithalten und so organisieren wir für den morgigen Tag einen Shuttle für den legendären Whole Enchilada!
The Whole Enchilada
Am nächsten Morgen bringt uns das Shuttle von Uranium Bicycles zum Geyser Pass (3.230 m) in die ca. 35 km entfernten La Sal Mountains. Zuerst vernichten wir noch 200 Hm auf einem breiten Forstweg. Dann geht es noch mal 400 Hm hinauf und wir befinden uns auf den Burrow Pass (3.400 m), dem Startpunkt für 45 km und ca. 2.100 Hm unseres vielleicht schönsten und abwechslungsreichsten Singeltrail-Erlebnisses überhaupt!
Den Auftakt macht der Deep Creek Trail. Vom Pass abwärts schießt man förmlich in engen Kurven durch den steilen Nadelwald hinab in das kleine Tal des Wet Fork Mill Creeks. Durch den ausgefahrenen Charakter hat der Weg eher etwas von einer schnellen DH-Strecke, denn eines Naturtrails! Schließlich geht es leicht ansteigend durch goldene Birkenwälder zum nächsten Trail-Segment, dem Hazard Trail.
Hier ändert sich die Vegetation erneut. Die Bäume sind einer grünen Steppe gewichen. Auch der Trail zeigt einen anderen Charakter.
Zu Anfang gibt es noch kleine Sprünge und der Pfad verliert in weiten, jedoch immer enger werdenden Schlenkern an Höhe. Schließlich heizen wir durch enge, uneinsehbaren Kehren um die Büsche. Links, rechts, links, rechts! Was für ein Spaß! Stakkatoartig legen wir uns von einer zur anderen Seite, als das Gelände vor uns plötzlich abfällt und die Sicht freigibt auf einen großen, bunten Espenwald, der sich kontrastreich vom roten Canyonland absetzt. Wir halten kurz inne, während Flo die Kamera zückt. Dann geht es full speed ahead weiter, durch den Wald hindurch zum Kokopelli Trail. Flo springt zur Freude der umstehenden Biker aus dem Hazard Trail komplett über die breite Straße der La Sal Mtn Route Road und in den Kokopelli Trail hinein. Dieser Double Track dient uns als Zubringer zum Upper Porcupine Singletrack (UPS). Und wieder befinden wir uns in einer neuen Vegetationszone!
Parallel zur mehreren Hundert Meter hohen Porcupine Rim windet sich der UPS über Sandsteinspielereien um Kiefern und Büsche herum und bringt uns an diverse Aussichtspunkte der Porcupine Rim. Die Ebene unter uns könnte direkt aus der Marlboro-Werbung stammen!
Applaus ernten wir an einer technischen Stelle mit zwei engen Kehren und einer abschüssigeren Felspassage. Daheim wäre es ein unspektakuläres Fahrmanöver, doch wird das Hinterradlupfen hier wohl nicht oft gesehen. ;-)
Bisher trafen wir eigentlich nur auf vereinzelte, kleine Grüppchen von Bikern. Am Ende des UPS nimmt die Biker-Dichte durch die Nähe zur Sand Flats Road allerdings spürbar zu, ebbt dann aber wieder ab, als wir den Lower Porcupine Singletrack (LPS) erreichen.
Während wir uns dem eingeschnittenen Tal des Colorado Rivers nähern, wird das Gelände immer offener. Der Trail ist zeitweise auch breiter, wird durch seinen steinigen Untergrund, kleinen Stufen, vereinzelten Drops und anderen Spielereien jedoch nie langweilig. Über den Porcupine Rim Trail surfen wir schließlich zum Grand Canyon hinab, welcher kurz vor Ende jedoch ganz unverhofft mit der schwierigsten Technik-Passage der Flow Tour aufwartet.
An einer Drop-Alternative fahren wir vorbei und probieren die Naturtreppe über die hohen Felsbrocken, an der bereits einige unschlüssige Biker stehen. Flo fährt ohne zu zögern durch und es sieht so geschmeidig aus als wäre es überhaupt kein Problem. Als mein Hinterrad kurz abhebt, werde ich jedoch eines besseren belehrt. Na ja, noch mal gut gegangen.
Was für eine super Tour! Das ist es wohl, was die Amis mit einen Epic Ride meinen! Vielseitig in puncto Trail, als auch Landschaft und Vegetation. Definitiv auf Platz 1 der Moab-To-Do-Liste!
Amasa Back mit Jackson’s Ladder und Jackson Singletrack
Tags darauf folgen wir einer Jeep Road vom Colorado River bis zum Amasa Back, einem kleinen Höhenzug, in einer Schleife des Colorado Rivers. Unterwegs kommen wir auch am Amasa Back Step -up vorbei, den sich Flo natürlich nicht nehmen lassen kann.
Die zweite Herausforderung des Tages ist Jackson’s Ladder, ein Technik-Tipp Laurents, der einen Monat zuvor hier war. Durch eine Rinne in der Felswand unserer kleinen Hochebene geht es steil und geröllig hinab. Felix ist heute sehr gut drauf und zeigt uns wie man den Einstieg richtig fährt (s. Foto). Leider ist es für uns nur eine Sackgasse und wir tragen die Räder wieder hinauf für den Jackson Singletrack.
Auf diesem teilweise ausgesetzten Weg oberhalb des Colorado Rivers kommt wieder Flow auf, auch wenn er ab und an durch kurze Gegenanstiege unterbrochen wird. Dieser Weg ist die verspielte Variante des Portal Trails, mit Kehren, vielen Absätzen, einem Steilstück und ein, zwei Drops.
Phil hat auch noch eine schöne Videoaufnahme parat.
Die vielleicht größte Herausforderung erwartet uns jedoch kurz vor dem Parkplatz am trüben Kane Creek. Sechs, sieben Meter trennen uns vom anderen Ufer … nur verbunden durch ein schmales Metallrohr von 15 cm Durchmesser. Es gibt wohl auch eine Alternative bachaufwärts. Doch nein, jeder muss sich dieser kleinen Mutprobe stellen, während wir von anderen Bikern in der Hoffnung auf einen Plantscher gefilmt werden. Aber nicht mit uns! Ich bin trotzdem ziemlich erleichtert nach meiner wenig eleganten Überquerung trocken anzukommen.
Slickrock Trail
Um den Tag vollends abzurunden, statten wir dem Moab-Klassiker schlechthin noch einen Besuch ab – dem Slickrock Trail. Auf versteinerten Sanddünen geht es in Wellen hinauf und hinab. Der Schmirgelpapier-Grip ist so sagenhaft wie man es ihm nachsagt.
Ausgerechnet hier treffen wir auf die Vertrider Axel und Sylvia, die im Sommer noch mit Flo im Vorarlberg unterwegs waren und gerade von der Red Bull Rampage kommen.
Gemeinsam genießen wir die letzten Sonnenstrahlen auf den Slickrocks. Viel vom Trail fahren wir eigentlich nicht mehr, dazu ist es zu spät. Und so zischen wir auch schon bald unsere Bierchen am Parkplatz, auf dem sich wegen einer Suchaktion einige Polizisten tummeln. Ähm ja, da war doch was mit Alkohol in der Öffentlichkeit! Wir verdrücken uns lieber zu den RV-Plätzen ein paar hundert Meter weiter und verbringen dort einen geselligen Abend zusammen. Gebannt hören wir uns die Red Bull Rampage Stories an. Von einem Restaurant im Rampage-Ort Virgin, welches die örtliche Waffenpflicht durch Schusswaffen aus Holz konterkariert. Oder wie Andreu Lacondeguy nach seinem missglückten Mega Backflip Axel genau vor die Füße fiel und nach dem heftigen Crash einfach nur fuchsteufelswild auf Berrencloth schimpft, der ihn angeblich dazu anstachelte bei schlechten Windverhältnissen zu starten. Auf jeden Fall sind unsere Vertrider mächtig beeindruckt von Fahrkönnen und Stunts der Big Mountain Freerider.
Tja, wäre auch toll gewesen selber die Rampage zu sehen. Das nächste Mal nimmt Red Bull hoffentlich mehr Rücksicht auf unsere Reisepläne!
Hell’s Canyon
An unserem letzten Tourtag steht noch ein Experiment an. Auch wenn die Fotos im Netz nicht sooo vielversprechend sind, möchten wir dennoch einen der La Sal Gipfel ausprobieren.
Claude kommt leider nicht mit. Sein Dämpfer ist kaputt und vor Ort gibt es keinen passenden Ersatz!
So sind es nur Felix, Flo und ich die uns mal wieder Richtung Geyser Pass fahren lassen. Dieses mal allerdings mit dem urigen, gestretchten T3 von Coyote Shuttle. 500 Hm unterhalb des Geyser Passes steigen wir in den Trans La Sal Trail ein und durchfahren goldene Espenwäldchen, buntes Buschwerk und Nadelwald bis wir beim La Sal Pass (3.170 m) ankommen.
Unterwegs müssen wir jedoch noch ein einsames Kalb retten, welches beim Abtrieb scheinbar vergessen wurde und sich in einen Weiderost verfing. Neben dem breiten, sperrangelweit offen stehenden Viehtor!
Es tut schon weh mit anzuhören wie es mit den Läufen gegen das Metall schlägt, während es verzweifelt versucht sich zu befreien. Felix schafft es schließlich die Vorderläufe zusammenzubinden, was nicht ganz ungefährlich ist. Zum Glück scheint das Kalb jedoch zu begreifen, dass wir ihm helfen wollen. Mit Steinplatten legen wir den Weiderost aus und versuchen das Kalb auf diese rumzulegen und herauszuziehen. Doch es ist einfach verdammt schwer und die Hinterläufe verhaken sich fortwährend, da es nicht ruhig hält.
Glücklicherweise kommt eine halbe Stunde später eine Jeep-Gruppe vorbei, mit einer Frau die sich besser auskennt. Sie nimmt ihre Jacke, legt es dem Kalb über den Kopf und nach einer kurzen Panikreaktion lässt es bereitwillig alles mit sich machen, so dass wir es endlich auf die Steine legen und auf den Weg ziehen können. Bleibt nur zu hoffen, dass es vom Besitzer noch gefunden wird!
Vom La Sal Pass aus nehmen wir den Anstieg zum Mount Peale (3.877 m) in Angriff. Doch je weiter wir kommen, desto unattraktiver wird die Geschichte. Wie schon befürchtet, erweist sich die Abfahrt als reine Geröll-Hackerei und wir beschließen den Versuch frühzeitig abzubrechen und direkt der Schwerkraft zu folgen!
Damit sich die Geschichte auf jeden Fall rentiert, haben wir schließlich Hell’s Canyon eingeplant. Auf diesen etwa 1.100 Hm Trail sollen sich die technisch größten Herausforderungen der La Sal Mountains befinden.
Anfangs geht es eher schnell und flowig zur Sache, während wir wieder durch wunderschöne, helle Espenwälder heizen.
Doch der Charakter der Abfahrt ändert sich im unteren Teil drastisch. Der Waldboden wird immer steindurchsetzter und mit losem, kleinem Geröll garniert, während das Gefälle deutlich anzieht. Bestes Gardasee-Feeling kommt auf!
Unten wartet Claude bereits mit dem RV auf uns. Er hat mittlerweile einen Händler beim Zion Nationalpark gefunden, welcher ihm einen neuwertigen Dämpfer für sehr günstiges Geld verkaufen würde. Supi, denn dort wollen wir ohnehin hin!