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A und Ω

Anfang Juli, als erste wirkliche Hochtour dieses Jahres haben wir uns zum ersten Mal auf unser heutiges Projekt eingelassen. Den oberen Abschnitt des Berges haben wir lange Zeit für nicht sinnvolles Bikegelände gehalten. Dort ist es durchgehend extrem steil und „luftig“. Im unteren, dem Latschenfresser Teil, ist der Trail genauso anstrengend für die Psyche, weil er für längere Zeit an einer steilen Wand entlang führt. Durch Schwinden der Kräfte und wegen extrem steilen Abschnitten wird der Steig auch körperlich eine echte Herausforderung.  Damals war ich extrem fertig und froh, unten zu sein.

Ein zwiespältiges Verhältnis, ich bin vieles fahrend und heil unten angekommen, aber es gab doch einige Anscheißmomente, verweigerte Stellen und das Gefühl „da geht noch mehr und das kann noch besser gehen“! Gerade im unteren Abschnitt war ich wohl zu müde, um in den steilen Abschnitten eine technisch saubere Linie zu fahren.

Und trotzdem oder genau deswegen haben wir die gesamte Saison sehr oft über diese Tour gesprochen und bei den Wochenendplanungen war der Berg meistens in der engeren Auswahl, obwohl das Ziel letztendlich immer ein anderes war. Auch, weil wir den Trail nach der Erstbefahrung sofort in die Top 3 Liste unserer heimatlichen Referenzabfahrten setzten. Nun aber kommuniziert der Wetterbericht eindeutig, dass Höhen um 2500m kurze Zeit später nur noch mit Wintersportgerät erreicht werden können. Das schreit also nach Saisonfinale! Die Touren der letzten Jahre (2011 und 2012)  gehörten jeweils zu den Highlights der Saison und so soll es auch dieses Jahr werden. Die Wiederholung der eventuell anspruchsvollsten Abfahrt Vorarlbergs steht also endlich wieder auf dem Plan!

Viele Hänge und Gipfel sind schon weiß angezuckert, aber unser Ziel hat eine ideale Ausrichtung und dadurch die Sonnenstrahlen und warmen Temperaturen der letzten Tage perfekt aufgesammelt. Einzig im flacheren Jochabschnitt stapfen wir etwas im Schnee. Das war dann auch der Grund, warum dieser Berg den Zuschlag erhielt, schneefrei und nochmal schön weit rauf!

Dank der schon eingerichteten Wintersperre hatten wir ein Warmfahren über 400 zusätzliche Höhenmeter auf der Teerstrasse. Ideal für Technikfachsimpeln über die noch nicht erhältlichen Neuheiten, über die schon recht unterschiedlichen Bikeansätze fürs alpine Touren und über deren Für und Wider. Fazit: Flo liebäugelt mit einer Heckfederung und ich mit einem Anhänger!

Recht rasch stehen wir nach der letzten Kurve vor einem steilen Bachbett und wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde niemals glauben, dass es da mittendrin hoch geht. Ich wundere mich immer noch, wie Flo dies herausgefunden hatte. Kein Schild, kein Farbklecks am Stein und auch die Trittspur erkennen auf den ersten 30 m wohl nur Spezialisten der Kripo. Erst nach 100 hm Aufstieg durch diese lose Schotterreisse queren wir in den Hang und steigen auf einem aufgelassen Weg weiter.

Im oberen Teil des Aufstiegs

Im oberen Teil des Aufstiegs

Der erste Schnee hat die Latschen tiefer gedrückt, was das Tragen zu einem nervigen Slalom macht. Die kühlen Temperaturen und die Steilheit sorgen andererseits dafür, dass wir schnell nach oben kommen. Einige Stellen werden begutachtet. Gingen die letztes Mal? Und wenn ja, wie? Mir kommt sehr vieles sehr schwer vor. Liegt wohl daran, dass ich keine so gute Erinnerung an die Erstbefahrung habe und wohl auch daran, dass dieses Mal der Untergrund feuchter ist, als im Juli. Oben am Joch, auf 2000 m merken wir dann wieder, dass es November ist. Schnee und kalter Wind lassen die Pause sehr kurz ausfallen. Auch im obersten Abschnitt leidet unser Erinnerungsvermögen und wir müssen in einigen Sequenzen die möglichen Linien erneut suchen und uns gegenseitig davon überzeugen, dass wir diesen Abschnitt schon gefahren sind.

Am Gipfel ist außer uns kein Mensch. Das ist hier eher die Ausnahme, da auch die Kletterer diesen Berg für sich entdeckt haben. Auch deswegen ist es ein genialer Moment und wohl einer der Hauptgründe, warum sich die Saisonabschlüsse bei mir so ins Gedächtnis gebrannt haben. Nicht immer kann man die Berge und das, was ich an Ihnen so schätze, so intensiv genießen, wie jetzt. Aber leider kommt auch dann die Lebkuchenflirtstrategie nicht zum Einsatz und so amüsieren sich Jan und Flo an alten „Held“-engeschichten. Alles in allem geht es aber heute eher rasch, der Himmel ist leicht bedeckt, die wärmende Sonne fehlt und so wird zwischen Essen und Umziehen fleißig der Hampelmann gemacht.

Tobi in einer der steileren Stellen

Tobi in einer der steileren Stellen

Für die, die noch nicht warm gefahren sind, hat die Abfahrt nach den ersten, nicht einfachen Metern ein ganz heißes Eisen im Programm. Flo zeigt uns im 2ten Anlauf nochmals eindrücklich seine Balance- und Fahrkünste und wiederholt seine kreative Linie aus dem Sommer. Mir fehlt die Lockerheit, warm bin ich auch noch nicht ganz, trotzdem versuche ich mich. Schon im ersten Drittel geht mir die Balance aus und ich wähle den Notausstieg aus dieser Luftnummer, ein viel zu großer Ausfallschritt mit Bike wird zu einer schmerzhaften Angelegenheit für meine Männlichkeit. Nach dem ich mich vom Schmerz erholt habe, schlage ich einen weiteren Versuch aus. Hier oben ist einfach nicht der Platz für Übungen dieser Art und der Steig hat noch mehr als genug Prüfungen parat.

Aber dann läuft es, die Finger sind jetzt auch im dünnsten Sommerhandschuh warm und es entsteht dieses Gefühl, was den Bike-Herbst so ausmacht. Man wird zur Einheit mit Bike und Weg, die vielen Stunden am Bike machen sich bezahlt. Mit diesem Vertrauen gehen nun auch einige steile Stellen auf losem Untergrund. Der holprige Start ist vergessen, ich kann meine Fahrtechnik nun abrufen und komme die vorgenommen Stellen meist im ersten Versuch durch!

Jan in einer der noch steileren Stellen

Jan in einer der noch steileren Stellen

Wir schießen einige Bilder, leider haben wir auch dieses Mal zu wenig von dem so wichtigen Licht. Aber so ergibt sich schon eine weitere Idee für Bikesaison 2014: mit tiefstehender Sonne im besten Abendlicht runter! Schließlich steigen wir durch die letzte Seilstelle und die Anspannung lässt etwas nach, da der folgende Abschnitt bis zum Joch nicht mehr ausgesetzt ist und aus Schotterspitzkehren im steilen Hang besteht.

Es folgt spaßiges Rutschen und Sliden auf schneebedecktem Trail vom Joch bis zur Hangkante, dem Einstieg in den steilen und wieder oft ausgesetzten Abschnitt namens Latschenfresser. Ab hier ist es dann wieder komplett schneefrei, aber der torfartige Boden ist ein guter Wasserspeicher. Hier bei Nässe runter? Aber heute hab ich wohl ein extra Packerl Grip dabei und wenn das nicht reicht, so ein rutschendes Vorderrad stresst mich auch weniger als sonst.

Purer Fels, ein Bikertraum

Purer Fels, ein Bikertraum

Die Latschen am Wegesrand suggerieren ein wenig Sicherheit oder verhindern zumindest permanente Tiefblicke und so probiere ich auch eine etwas optimistische Linie mit Querwurzeln, klappt aber nicht, ich steige zur richtigen Seite ab, aber das Standrohr meiner Gabel küsst genau einen scharfen Felszacken. Ärgerlich, aber kann passieren! Meinem Fahrfluss tut es keinen Abbruch. Auf uns warten noch jede Menge Haarnadeln, Absätze und der imposante Log-Ride. „Zu nass, unfahrbar“ haue ich recht schnell meine Einschätzung raus. Mit der Sicherheit eines Spotters und 2 Versuche später belehrt mich Flo eines besseren, das zweite Mal an diesem Tag, dass ich den Helm ziehe. Für mich selber gilt meine Einschätzung dann aber doch noch. Würde ich nicht wissen, dass die Stelle gefahren werden kann, ich würde sie immer wieder mit dem u-Wort beschreiben!

Fast schon unzählige Herausforderungen später, viele mit dem gedanklichen Achtung-Schild: „slippery when wet“, spuckt uns der Trail wieder in das Bachbett aus. Auch hier kein Grip, aber nahezu freie Linienwahl und Schottersurfen ist eine spassbringende, wenn auch leider viel zu kurze Abwechslung nach dem langen Spitzkehrenzirkeln. Die Abfahrt hat länger gedauert, als der Aufstieg und war wieder ein hartes Stück Arbeit. Doch dieses Mal überwiegt bei mir deutlich die Zufriedenheit und die Freude über die Bergtour.

Aber noch sind wir nicht ganz unten angekommen, die Reifen bekommen jetzt etwas mehr Luft, wir tauschen maximalen Grip gegen etwas mehr Pannensicherheit und fahren noch ein paar Trail- und Forstpistenmeter parallel zur Teerstraße raus. Ein paar flinke Kurven, ein paar Hüpfer mitnehmen, eine wirklich coole Flugeinlage und schon sind die 400 hm vernichtet.

Ein Fazit zur Bikesaison ist noch zu früh, aber die Tour lassen wir gebührend mit dem ein oder anderen Hefeweizen und ganz viel Zufriedenheit, aber auch ein wenig Wehmut ausklingen. Ein grandioses Saisonfinale!

3 Gedanken zu “A und Ω

    • Hi Werner,
      das sollte schon passen für dich/euch. Einen Versuch ist es sicher wert!
      Die Tour ist im Frühjahr sehr früh schneefrei, da können wir zeitig durchstarten!
      LG Flo

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