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Im europäischen Patagonien

Es ist der 5. Mai, ein verlängertes Wochenende steht vor der Tür und das Wetter ist gut. Das alles kommt aber so überraschend, dass wir am Abend zuvor noch keinen wirklichen Plan hatten, wo es hin gehen soll. Südseite ist Trumpf zu dieser Jahreszeit und in der Gegend um den Comersee fanden wir entsprechende Trails. Der schnelle Webcamblick ergab: 2000m müssten wenigstens drin sein.

Und so stehen wir am Start der ersten Tour, um diese gleich über den Haufen zu werfen, weil wir einen noch interessanteren Trail auf der Karte entdecken. Wir steigen gemütlich auf. Es sind nicht viele Höhenmeter nötig um zu realisieren: die Abfahrt wird genial und die Landschaft kassiert einen Stylepunkt nach dem Anderen. Felstürme ragen in den Himmel, wohin das Auge reicht. Blank geschliffene Platten werden von weiß schäumenden Wasserfällen geteilt.

Auf etwa 2000m begegnen wir dem ersten Schnee – auf rund 2100m ist dann Feierabend für uns. Gemütlich starten wir die Abfahrt. Endlich wieder griffiger Granit unter den Stollen! Durch feinstes S3 – S4 Gelände arbeiten wir uns dem Tal entgegen. Über Treppen, durch schier unzählige Spitzkehren und über einen Slickroch, der fast 50hm hat. Perfekter Start in die Saison!

Nach einer gemütlichen Nacht auf dem Campingplatz starten wir unsere heutige Stichtour genau am anderen Ende des Tals. Wieder ist die Landschaft unglaublich beeindruckend: alte Seinhüttchen finden sich hier und da am Weg, gewaltige Felszacken ragen über uns empor. Heute haben wir noch mehr Glück – die Schneegrenze ist erst auf 2300m.

Nach einer ausgedehnten Pause düsen wir los. Der Trail ist teils angelegt und besteht aus großen Felplatten und Blöcken; dazwischen immer wieder Slickrockpassagen. Eine geniale Abfahrt, mal flüssig, mal technisch und knackig. Etwas tiefer stecken wir in einer krassen Treppenpassage: extrem verblockt und teils am Rande der Machbarkeit.

Mit einem Grinsen im Gesicht kommen wir im Tal an. Die heutige Tour war mindestens so genial, wie die vom Vortag. Wir beladen das Auto und düsen zum Comersee. Dort angekommen zeigt sich schnell, dass wohl noch andere Leute auf die Idee kamen, zum Comersee zu düsen. Mit Glück finden wir noch einen Platz auf einem eher versteckten Campingplatz und genießen den Abend am See.

Der letzte Tag unserer Reise führt uns auf einen Gipfel direkt über dem See. Schon im Aufstieg zeigt sich: die Trails um den See sind einfach nix Gescheites, wie auch unser Exemplar hier. Weder technisch, noch flowig, eher Gehacke. Aber egal, wir bilden uns ein, auf der Karte den ultimativen Techtrail gefunden zu haben. Zumindest ist unsere Vermutung, dass er in so steilem, felsdurchsetztem Gelände nur technisch sein kann. Wir verlänger also unsere Runde und tada: der Traileinstieg sieht vielversprechend aus!

Ein äußerst schmale Trailspur schlängelt sich dem Tal entgegen, über Felsplatten und Stufen, mit Spitzkehren am Rande der Fahrbarkeit. Und ständig mit unglaublichen Tiefblicken auf den See. Das kann doch nicht real sein, endlich ein guter Trail direkt am See? Es ist leider nicht real, denn etwa 400 Höhenmeter tiefer verläuft sich der Trail so langsam im Gelände. Teils fahrend, teils schiebend versuchen wir, die Spur nicht aus den Augen zu verlieren. Doch irgendwann haben wir keine Chance mehr. Nichts ist mehr zu sehen. Zum Glück haben wir ein Handy mit GPS dabei und können uns so zumindest am Verlauf des Weges in der Karte orientieren.

Nach fast drei Stunden Kampf durch die Wildnis stehen wir endlich wieder auf einem normalen Weg und können als Belohnung wieder Rund 200 Höhenmeter zum Parkplatz hoch kurbeln. Am See gibt’s einfach keine geilen Wege! Dafür aber etwas abseits vom See um so bessere! ;-)

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